Zu den vielen tollen Dingen, die man auf Fernreisen lernen kann, gehört die Erfahrung, wie bunt die Welt ist. Auch Südostasien ist bunt – besonders in Sachen Religion. In diesem Artikel erzählen wir von einigen unserer Begegnungen mit Spiritualität in der Region.

Fast jeder Weltreligion sind wir hier irgendwie begegnet: Thailand ist sehr stark buddhistisch geprägt. Im sozialistischen Vietnam dagegen leben offiziell vor allem Atheisten, trotzdem sehen wir etwa in Phong Nha Kruzifixe und katholische Kapellen. Bali ist eine hinduistische Enklave in Indonesien, dem Staat mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung. Die indonesische Hauptinsel Java besuchen wir während des Ramadan; das Zuckerfest erleben wir im mehrheitlich muslimischen Malaysia. Dort lebt neben der muslimischen Mehrheit eine indische, hinduistische Minderheit, sowie eine große Zahl “Auslands-Chinesen”, die größtenteils Buddhisten sind.

In Penang, Malaysia besuchen wir auch einen anglikanischen Gottesdienst. Ansonsten begegnen wir hier Religionen, mit denen wir vorher wenig oder gar keine Berührung hatten. Noch auffälliger war für uns aber ein anderer Unterschied zu (West-)Europa: die schiere Sichtbarkeit von Glaube und Spiritualität in der Öffentlichkeit.

In Thailand wird man beispielsweise schon am Flughafen aufgefordert, keine Buddha-Tattoos offen zu tragen. Dies gilt als respektlos. Auf Java wurde der Blick in öffentliche Lokale während des Fastenmonats Ramadan teilweise mit Vorhängen verdeckt. Wer essen will, wird nicht daran gehindert. Dafür versucht man offenbar, keinen Anstoß bei denen zu erregen, die das Fasten von Sonnenaufgang bis -untergang konsequent durchziehen wollen. An Busbahnhöfen gibt es kleine Gebetsräume (“Musholla”) direkt neben den Toiletten. Gebet bekommt sozusagen als alltägliches Bedürfnis Platz im öffentlichen Raum.

Auf Bali wurden wir kurz Zeugen einer kurzen Einweihungszeremonie für ein Gästehaus in unserem Homestay. Die Schalen mit Räuchergaben waren allerdings schneller durchs Treppenhaus gewandert, als wir Zeit hatten, interessierte Fragen zu stellen. Trotzdem konnten wir ein paar Augenblicke mit der Kamera festhalten. Außerdem haben wir in Ubud einiges über das architektonische Arrangement von Wohnräumen und Haustempel gelernt. 

Mit seinen unzähligen Kursen in Yoga und Meditation ist Ubud überhaupt ein Anlaufpunkt für Sinnsucher und Spirituelle aus aller Welt. Wir haben auch ein bisschen hineingeschnuppert. Allerdings handelt es sich bei diesen Angeboten auch ein Stück weit um eine Art westliche Enklave, zumindest was viele der Kursleiter und -teilnehmer betrifft.

Über die Grenzen einzelner Glaubensrichtungen hinweg ist Ahnenkult in Südostasien sehr weit verbreitet. Dazu gehören Schreine bzw. Altäre sowohl auf privatem Grund, als auch auf öffentlichen Plätzen in Thailand oder Kambodscha. Auf Bali werden Opfergaben  in kleinen Palmblättern auf dem Boden ausgelegt. Die Produktion dieser Gaben ist ein ziemlich aufwändiges und komplexes Handwerk, dass interessierte Tourist*innen z. B. in Bücherei in Ubud lernen können.

In Hanoi ist uns das Verbrennen von Geld besonders aufgefallen. Es gibt diese Praxis wohl auch in anderen Regionen Südostasiens. Die Angestellten im Hostel, in dem wir abgestiegen sind, verbrannten Geld in der Spüle, Geld wird aber auch auf offener Straße verbrannt. Es handelt sich nicht um echtes Geld, sondern um eigens zu diesem Zweck produzierte Scheine, mit deren Herstellung inzwischen eine eigene Industrie beschäftigt ist. Der Gedanke ist vermutlich der, dass das Geld sich erst dematerialisieren muss, um sich im Jenseits materialisieren zu können.

Da die Welt längst zusammenwächst, gibt es aber auch bemerkenswerte Gemeinsamkeiten. In einer besonders exquisiten Shopping-Mall in Jakarta strahlt uns eine hell beleuchtete, kleine Moschee an, vollgepackt mit Luxus-Artikeln. Reminder: Es ist Ramadan und mit dem Herz geht wohl auch der Geldbeutel auf. Man darf an die heimische Weihnachtszeit denken, wo Krippen und Christbäume öffentliche Plätze schmücken und Adventslieder erklingen – um alle zum Kaufen anzuregen.

Irgendwie sind die Menschen einander da doch ziemlich verwandt. Ein kleiner philosophischer Exkurs, wenn es erlaubt ist: Der alte Karl Marx sprach vom “Fetischcharakter” der Ware. “Fetische” sind eigentlich “magische” Gegenstände in Religion und Kult. Fetische sollen heilen, ein erfolgreiches Leben versprechen, Geister vertreiben und so weiter.

Den Waren im Warenhaus werden in der Moderne ähnliche “übernatürliche” Kräfte zugeschrieben: Sie sollen nicht nur “funktionieren”, sondern versprechen immer auch höhere Werte: ein glückliches Leben, Sicherheit, Heimatgefühle,… Sie sind fast schon “magisch”. Darum fallen Konsumversprechen und religiöse Feiertage so eng zusammen. Die Sehnsucht nach Konsum ist eine seit bald zwei Jahrhunderten unaufhaltsam wachsende, wenn auch verborgene Weltreligion.

Aber was für eine Religion ist sie eigentlich? Tut sie den Menschen gut? Schwierige Fragen sind das. Vielleicht will Theo sich ja eines fernen Tages den Kopf drüber zerbrechen…

 

Share: