Was am 6. Juli passiert, steht schon lange im Voraus fest: Heute fliegen wir von Kuala Lumpur über Bangkok zurück nach Deutschland. Und das war es dann. Schluss, Aus, Ende der Veranstaltung. Jetzt müssen wir “nur” noch einen elfstūndigen Flug hinter uns bringen.
Stress ist jetzt das Allerletzte, was wir zum Abschluss unserer Elternzeitreise brauchen können. Darum sind wir bereits seit zwei Tagen in KL und haben ausdrücklich nichts vor. Klar ist heute nur: Wir müssen bis 13.00 unser Hotelzimmer räumen und bis ca. 19.00 am Flughafen KL eintreffen. Der Rest ist offen.
Da der Flug auf jeden Fall anstrengend wird, soll Theo heute einen entspannten Tag haben. Bisher musste er sich ja meistens an unsere Pläne anpassen: geradeaus Laufen durch Innenstädte, Tempel und Museen. Auf dem Platz Sitzen in Bussen, Schiffen, Flugzeugen. Vor allem hier in Malaysia ging es ziemlich zügig voran. Natürlich gab es auch immer wieder Spielplätze, Strand und Ruhetage. Aber hauptsächlich war es eben ein Erwachsenenurlaub.
Heute soll das anders werden. Theo ist der Chef. Er bestimmt, was gemacht wird. Er darf sich nach Herzenslust austoben. Er kriegt die volle, ungeteilte Aufmerksamkeit. Unsere Smartphones haben strengstens zu verschwinden. Außer um zwischendurch das folgende Protokoll über unseren allerletzten Tag zu schreiben:
7.00 Theo schläft noch. Quer. Wir müssen uns im Doppelbett um ihn herum drapieren. Das geht schon seit Monaten so. Bald sind wir zu Hause, dann hat er sein eigenes Bett wieder und diese allnächtliche Platzangst findet ein Ende. Es gibt ein paar Dinge, die wir definitiv nicht vermissen werden. Und der ständige Kampf um jeden Quadratzentimeter Bettfläche gehört ganz sicher dazu.
8.45 Familie Kraemer ist wach. Theos erste Worte: “Bajah (= Ball). Auto.” Aha, das machen wir heute also.
Beide Wörter hat er während der Reise gelernt, das erste in Vietnam und das zweite auf Bali. Überhaupt hat er fast seinen gesamten kleinen Wortschatz in den letzten fünf Monaten erarbeitet. Wahnsinn. Tiere, Fahrzeuge, Essen – alles wird unterwegs kommentiert.
9.15 Beim Frühstück will ein malaiischer Junge in selben Alter auf Theos Bobbycar. Oh oh. Theo hämmert mit lang ausgestrecktem Zeigefinger auf sein liebstes Besitztum und erklärt ausführlich: “Da! Da! Da!” Wenigstens gibt es kein Gerangel und keine Tränen.
Dieser kleine rote Plastikhaufen war eine der besten Investitionen auf der ganzen Reise. Gekauft haben wir ihn für ca. 5 € bei unserem Besuch im Borobudur. Seitdem ist Theo selig. Er kurvt vergnügt durch jedes noch so kleine Hotelzimmer und rast unaufhaltsam durch Shoppingmalls und Flughäfen.
10.00 Großes Einpacken. Darin sind wir inzwischen Meister. Jeder Handgriff sitzt. Jedes Objekt hat seinen festen Platz. Wobei zumindest das Spielzeug drastisch an Volumen zugenommen hat.
Theo denkt eher ans Auspacken.
10.40 Theo darf endlich raus. Er will auf sein Auto – er darf auf sein Auto. Er will raus auf den Gehweg – ok, heute ist ja Theo-Tag. Dann will er auf der Müllkippe rumfahren. Sorry, jetzt gibt’s Grenzen.
10.50 Wir besuchen die Mall gegenüber von unserem Hotel. Sie heißt Beryaja Times Square und ist riesengroß. Sie umfasst einen eigenen Indoor Themenpark. Mit eigener Indoor-Achterbahn. Ernsthaft.
Falls wir in einigen Jahren wieder mit ihm hierher reisen sollten und es regnet, ist schon mal klar, was wir machen. Heute interessiert Theo sich zum Glück nicht für Achterbahnen. Er darf dafür wie wild mit seinem “Auto” (Dreirad) durch die Gänge flitzen, Papa hechtet hinterher. Glückliches Jauchzen. Diesen schier unbegrenzten Platz werden wir zu Hause definitiv vermissen.
11.20 Theo starrt auf den Laden gegenüber und lacht plötzlich. Vielleicht schäkert er mit der Frau, die ihn da 15 Meter weiter anlächelt. Er ist so zutraulich. Manchmal machen wir uns Gedanken, ob das immer so gut ist. Von dieser netten Dame hat er jedenfalls nichts zu befürchten, sie steigt sicher nicht aus ihrem Werbeplakat heraus.
12.00 Jetzt ist er hoffentlich ausgepowert? Der Versuch eines Mittagsschlafs scheitert. Theo ist aber noch ziemlich aufgedreht. “Papa? Papa?”
12.45 Mit dem Schlafen wird es wohl nichts. Was soll’s. Wenn wir eine Sache auf der Reise gelernt haben, dann die: Der Kleine hat seinen eigenen Tagesplan. Wir können ihn nicht in unseren hinein zwingen. Es ist auch sein Urlaub, nicht nur unserer.
Wir rufen einen Uber und fahren in die Stadt, um ein letztes Mal unsere geliebten Petronas Towers zu besuchen. Und natürlich den tollen Spielplatz dahinter. Theo klettert auf Geräte und Schaukeln, hängt sich mit beiden Händen an die Stange. Er hat so viel gelernt in den letzten Monaten, es ist unglaublich. Vor allem im sozialen Bereich. Auf andere Kinder geht er jetzt ganz ohne Scheu zu. “Und, wer bist Du?”, sagt sein neugieriger Blick. Der malaiische Junge hier am Spielplatz ist ein großer Muskelmann. Jedenfalls hält er sich dafür und prahlt mit seinem imaginären Bizeps. Theo feuert ihn an: “Uuuh!” Jungs.
14.30 Anschließend geht es eine Runde in den Wasserspielplatz. Auf Koh Chang war Theo noch sehr vorsichtig dabei, ins Wasser zu gehen. Jetzt schmeißt er sich richtig ins Vergnügen.
15.30 In der Trage schläft Theo ein. Wir fahren mit der Monorail zurück Richtung Hotel und suchen auf der Jalan Alor, der Touristen-Fressmeile der Stadt, nach Essbarem.
16.15 Theo ist inzwischen aufgewacht. Da heute Theo-Tag ist, suchen wir bewusst etwas Kleinkindtaugliches. Die Wahl fällt auf Thai Food, es gibt Sticky Rice mit Mango. Obst steht bei ihm zur Zeit hoch im Kurs.
17.00 Natürlich könnten wir zum Flughafen Kuala Lumpur den Bus oder Zug nehmen, in Malaysia ist das öffentliche Verkehrsnetz ausgezeichnet ausgebaut. Wir legen aber ein paar Euro drauf und bestellen bei Grab einen eigenen Wagen. Schließlich ist heute Theo-Tag. Dazu passen weder Busse, noch volle Züge.
17.45 Theo starrt fasziniert an den Himmel. “Der Mond”, erklärt Mama. “Mon?” Wieder ein neues Wort gelernt.
Das war also Südostasien. Wow. Wir schmieden Pläne. Wohin geht die nächste Reise? Nochmal hierher? Oder nach Südamerika? Theo plant größeres: “Mon!”