Endlich geht es los. Wir sind mal wieder auf Reisen, dieses Mal geht es einen Monat lang nach Mittelamerika. Anne nimmt Resturlaub, Florian ist noch in Elternzeit und Theo (inzwischen stolze zweieinhalb Jahre alt) hat im April auch keine Termine.

Unser Motto ist immer noch: Wann, wenn nicht jetzt? Dieses Mal im Programm: Yucatan – Belize – Guatemala. Wieder erwarten uns weiße Strände, blauer Himmel, geheimnisvolle Tempel und Gaumenfreuden aller Couleur. Der Sommer ist so schön – wir fangen schon mal an.

Wir fliehen vor dem schlechten Wetter und der schlechten Laune. Jedenfalls versuchen wir das. Denn der Stress heftet sich hartnäckig an unsere Fersen und versucht, uns die schönen Aussichten zu verhageln:

Im März weist das Auswärtige Amt auf einige versuchte Bombenanschläge in den touristischen Ballungsgebieten Yucatans hin, Hintergrund sind wohl die kommenden Präsidentschaftswahlen. Autsch. Unser Flug ist nämlich längst gebucht…

Das Thema “Krankheit vor Abflug” hat uns schon letztes Jahr beglückt. Zwei Wochen vor der Abfahrt holt sich Theo einen grippalen Infekt, auf die letzten Meter ist schnell noch Papa mit einer Erkältung dran.

Unmittelbar nach Ostern ist Tulum, unser erstes Reiseziel in Mexiko, ziemlich ausgebucht. Wir müssen im Vorfeld ganz schön Zeit investieren, um die erste Unterkunft zu finden.

Wir fliegen mit Air France über Paris. Fun Fact: Kurz vor der Abreise werden in Frankreich ausgiebige Streiks angekündigt. Drei Tage Zittern und Bangen. Erst kurz vor dem Langstreckenflug wird klar, dass unsere Flug nicht betroffen ist.

Bei der Buchung der Sitzplätze im Flieger gab es, wie sich kurz vor Abflug herausstellt, einen folgenreichen Fehler. Wir sitzen nun doch nicht zusammen in der ersten Reihe mit mehr Beinfreiheit. Alle Bemühungen der netten Stewardess um eine andere Lösung schlagen fehl. Ich muss mir meine langen Beine entweder in einem “normalen” Sitz hinter die Ohren schnallen oder zwölf Sitzreihen weit weg sitzen. Wo ich mich nicht mehr mit um den taten- und fernsehlustigen Sohnemann kümmern kann.

Der Jet Lag macht uns deutlich mehr zu schaffen als beim Flug in die Gegenrichtung letztes Jahr. Und eine Weile lang beginnen die Tage um 3.00 Uhr morgens. Es gibt nichts zu kaufen oder zu essen. Kleinkinder schmeckt das gar nicht. Was sie auch lautstark erklären, ohne jede Rücksicht auf schlafende Nachbarn.

Passend dazu setzt ausgerechnet jetzt die berüchtigte Trotzphase ein. Beliebte Vokabeln sind: “Nein”, “mag das nicht” und “Papa weg!” / “Papa schüss!“… Funktioniert besonders schön in Kombination mit dem Jet Lag. Um 2.30 nachts hören wir erbarmungswürdiges Seufzen: “Theo SO Hunger!” Zum Glück haben wir Frucht-Quetschis in Reserve dabei. Aber wo sind die nur? Entnervt stellen wir das Zimmer und das gesamte Gepäck auf den Kopf. Nach zehn Minuten taucht die Packung endlich unter dem Bett auf. Wer die nur versteckt hat? Ich klatsche ihm die Quetschis vor die Füße. Sein Kommentar: “Ja! Theo funden!“

Am ersten Tag in Tulum (Mexiko) entschädigen wir uns mit einem Ausflug zum Strand. Endlich Urlaub? Schon stößt uns die nächste Gemeinheit zu. Genauer gesagt stößt sie meinen Zehen zu, in Form einer Strandliege. Im Jet Lag stolpere ich halt ziemlich unbeholfen durch die Gegend. Der Schmerz pocht, der Zeh läuft einen Tag lang blau an, Laufen ist eher schwierig. Au weia. Der erste Reisetag und schon zum Arzt?

Da fliegt man schon extra in den Urlaub, der Stress verfolgt einen trotzdem. Wieso eigentlich?

Der Stoizismus, eine philosophische Richtung der Antike, lehrte, dass wir an unserem Stress vor allem selbst Schuld seien. Der Bus hat keinen Stress, der Mensch, der ihn kriegen will, schon. Ärger entsteht  nicht in der Welt, sondern in unseren Meinungen über die Welt. Und unsere Meinungen können wir beeinflussen. Wir haben einen Einfluss darauf, worüber wir den ganzen Tag nachdenken.

Ich denke, an diesem Argument ist etwas dran. Wir alle tragen unsere Stresspakete mit uns herum und achten irgendwie sorgsam darauf, dass sie nicht leer werden. Der Ärger verfolgt mich um den Globus, weil ich ihn dauernd selbst herum schleppe. Anlässe gibt es überall. Selbst am weißesten Traumstrand kann man sich über die unverschämten Preise für die Strandliegen ärgern.

Die Reise hilft mir nicht dabei, vor dem Stress wegzulaufen. Sie gibt mir im Gegenteil die Gelegenheit, mich ihm zu stellen. Und ihn nicht ganz so wichtig zu nehmen. Auf Reisen muss nichts “klappen” oder “fertig werden”.

Vor allem kann ich hier trainieren, Fakten und Bewertungen zu trennen. „Theo schläft nicht“ ist nicht derselbe Satz wie: „Es ist ganz furchtbar schlimm, dass Theo nicht schläft.“

Auf Reisen kann ich außerdem trainieren, nicht immer das Schlimmste zu befürchten (der Zeh war dann nach ein paar Tagen auch in Ordnung). Die negativen Gedanken auszuhalten, einzuordnen und schließlich abzugeben.

Am liebsten bei saftigen Burritos oder an weißen Sandstränden bei strahlend blauem Himmel. Da schrumpft sowieso alles auf ein gesundes Maß.

 

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